Irgendwie sieht es nicht so aus, als ob das mein Jahr wird. Nachdem die extreme Stresszeit von Anfang November bis Ende Januar vorbei war dachte ich mir, ein paar Tage raus aus Berlin könnten nicht schaden, und ich begab mich seit langer Zeit mal wieder auf eine Reise mit der Bahn. Da die Minusgrade noch nicht so extrem waren wie in den letzten Tagen, hatte ich zwar keinerlei Befürchtungen vor kalten Zügen, aber vorsichtshalber eine dicke Jacke an. 
Die Hinfahrt begann damit, dass der ICE zwei Wagen weniger hatte, dementsprechend gerammelt voll war und es kaum freie Plätze gab. Da nutzte es auch nichts das gesagt wurde, Betroffene der gestrichenen Waggons bekämen das Geld für die Platzkarte zurück – ich musste dankbar sein, überhaupt einen Sitzplatz zu ergattern. Aber das Glück war mir hold, und außerdem war es eh nur bis Frankfurt, dort wurde ich abgeholt.
Das chinesische Frühlingsfest entschädigte mich dann für den vollen Zug, und den Rest der Fahrt legten wir abends mit dem Auto zurück. Es folgten noch drei sehr schöne Tage, dann ging es zurück.
Laut Plan sollte ich zweimal umsteigen. Und weil die Deutsche Bahn darauf bedacht ist, ihre Kunden zufriedenzustellen, informiert sie natürlich über Verspätungen oder andere Unebenheiten, wenn man das wünscht. Natürlich hatte ich die Option gewählt, auch wenn ich weiß, dass bei der Bahn selten etwas schiefgeht. Aber man kann ja nie wissen.
Eine Stunde vor meiner Abfahrt bekam ich eine Mail. Die erste Strecke sei noch in Ordnung, aber in Mainz hätte mein Anschlusszug nach Frankfurt 18 Minuten Verspätung, und deswegen könne ich den Zug von Frankfurt nach Berlin nicht erreichen, weil der nicht warten würde.
Gleich darunter stand dann allerdings noch die Mitteilung, dass der Anschlusszug, den ich eh nicht erreichen würde, gestrichen wurde und gar nicht fährt. Es gäbe aber einen Ersatzzug, dessen Nummer auch angegeben wurde. Also dachte ich, dass die näheren Infos mir mehr bringen, aber leider zeigten die nur die Streckenführung des Zuges an, der nicht fährt.
Nun gut, da es eh nicht zu ändern war, fuhr ich erst einmal wie geplant bis Mainz. Und da ich ja 18 Minuten mehr Zeit hatte zum Umsteigen, begab ich mich zur Information. Die Dame dort war sehr nett und gab mir den Tipp, wenn ich jetzt die S-Bahn nehmen würde bis Frankfurt, dann könnte ich den Ersatzzug noch rechtzeitig erreichen. Meine Frage, ob der ebenfalls ab Frankfurt Flughafen fährt, wurde bejaht, das wäre ja wohl selbstverständlich, schließlich sei es ja der Ersatzzug! Dabei schaute sie mich an als zweifle sie an meinem Verstand und fügte mitleidig hinzu, ich müsste mich dann aber beeilen, denn die S-Bahn würde bereits in drei Minuten abfahren.
In letzter Sekunde schaffte ich den Einstieg, erwischte einen Platz und war immer noch außer Atem als ich dem Schaffner erklären musste, warum ich nur ein Bahnticket hatte und nun in der S-Bahn ohne Fahrschein sitzen würde. Allerdings schien er meine leicht aufkommende Panik zu bemerken, oder aber er wollte sich vor Feierabend nicht mehr streiten. Er ließ es letztendlich dabei bewenden und meinte, das würde wohl in Ordnung gehen, auch wenn sein Gerät meine Karte nicht scannen konnte. Immerhin wäre ich ja in der Bahn schon kontrolliert worden. (Was allerdings nicht stimmte, denn es war noch gar kein Zangenabdruck auf dem Schein).
Bei der Ankunft stellte ich dann fest, dass der Bahnsteig der S-Bahn noch gut sieben Minuten schnellen Schrittes vom Fernbahnhof entfernt ist, also war wieder rennen angesagt. Fünf Minute vor der Zeit stand ich keuchend an dem Gleis, von dem der Zug abfahren sollte, und konnte zwei Minuten später beobachten, wie die Anzeige vor meinen Augen verschwand, weil der Zug ja gestrichen wurde. Von Ersatzzug war keine Rede mehr, weder als Anzeige noch als Durchsage.
Also wieder hoch, Infoschalter gesucht und gewartet, bis die Kunden vor mir fertig waren. Dann wurde mir erklärt, dass der Ersatzzug selbstverständlich fahren würde, allerdings nicht von diesem Bahnhof, sondern von Frankfurt Süd. Das wäre natürlich jetzt zu spät für mich, ehe ich da sei wäre der Zug weg. Allerdings gab man mir eine neue Verbindung mit der Erklärung, dann könne ich wenigstens noch ein wenig verschnaufen, denn der Zug nach Hannover würde erst in 30 Minuten fahren. Dort müsse ich dann wieder umsteigen, hätte 20 Minuten Zeit dafür, und dann ginge es weiter nach Berlin.
Inzwischen konnte ich dem Ganzen nur noch ein Kopfschütteln abgewinnen, und da ich eine unverbesserliche Optimistin bin und eh nichts mehr ändern konnte, sah ich das Positive an der Sache: endlich konnte ich eine Toilette suchen, denn in dem ersten Zug war sie außer Betrieb und in der S-Bahn gab es keine.
Im ICE nach Hannover sah die Welt schon besser aus: es gab kostenfreies Internet. Zwar sehr langsam, aber immerhin. Zumindest ließ mein Laptop mich wissen, dass der letzte Bus in Berlin bis zu mir nach Hause fünf Minuten vor unserer Ankunft abfahren würde, vorausgesetzt wir wären pünktlich. Was bedeutete, ich musste die U-Bahn nehmen und nochmal in den Nachtbus umsteigen. Immerhin, kurz nach Mitternacht würde ich dann vielleicht doch mein Ziel erreicht haben. Und dabei fiel mir wieder ein Punkt ein, warum ich diese Stadt liebe: Egal wann man nachts ankommt, irgendwie kommt man mit den Öffentlichen immer noch nach Hause, und sei es auf Umwegen. Man muss eben nur Geduld haben.
In Hannover fuhr der Zug nach Berlin mit nur fünf Minuten Verspätung ab, aber das war ja egal, weil mein Bus eh weg sein würde. Dafür waren noch massenhaft Plätze frei, und ich musste lediglich aufpassen, dass ich nicht einschlief. Ich konnte es kaum glauben, als wir trotz aller bisherigen Verspätungen auf die Minute genau pünktlich in Spandau ankamen.
Es war die BVG, die mich dann vollends glücklich machte. Deren Uhren schienen auch nachzugehen, oder aber sie hatten inzwischen den Fahrplan eigens für mich geändert.
Gerade als ich das Bahnhofsgelände verließ, hielt der letzte Bus des Tages nach Reinickendorf drei Schritte vor mir an der Haltestelle. Ein Geschenk der Bahn, welcher auch immer, denn ich ersparte mir dadurch ein erneutes Umsteigen von der U-Bahn in den Nachtbus und war dadurch bereits eine halbe Stunde vor Mitternacht zuhause. Wenn sowas kein schöner Tagesabschluss ist…